Der immerwährende Tag
Als endlich das Gefäß leer war, welches das Leben der natürlichen Motive beherbergt hatte, und der Stillstand des Denkens erreicht war, den man Entwerden nennt, öffnete sich geräuschlos und unerwartet die undurchdringliche Nacht des Todes und der stummen Verneinung, und durch einen Spalt von wenigen Zentimetern wurde das Licht des immerwährenden Tages sichtbar, [...]
Zutiefst fand ich, was zuhöchst ist
"Schau nur", sagte er zu ihr. "Das Loch in der Erde war doch vorhin noch nicht da! Ich wusste gar nicht, dass die Erdkruste so dünn ist. Außerdem habe ich gehört, dass das Erdinnere aus glühender Lava bestehen soll. Hier aber ist unter dem papierdünnen Acker nur unendlicher, leerer Raum. [...]
Das große Opfer
"Man muss durch die Hölle, wenn man den Reproduktionszwang bewusst überwinden will, da seine Notwendigkeit durch keine andere Materialisierungstechnik ersetzt ist", sagte die Dame mit dem Hermelin lächelnd, nachdem ihr das unmögliche Vorhaben geglückt war und sie ihre bewusste Existenz erlangt hatte, [...]
Der Diskuswerfer
Man hatte ihm gesagt, er solle die Augen schließen, dann würde er schon in die Tiefe des Wesens gelangen. Nur nicht einschlafen solle er, hatte man ihm geraten.
Das wäre die größte Gefahr beim Einstieg in das innere Dasein. Bliebe er wach, ohne zu denken, nur lange genug, dann träten sie hervor hinter dem schwarzen Vorhang, die unermesslichen geistigen Königreiche. [...]
Heißrechnen
"Schau nur, Cherub! Die Noten verwandeln sich in Zahlen. Himmlische Gesänge werden zur geometrischen Reihe. Alle Töne verdoppeln sich.
Aus 1 wird 2, aus 2 wird 4, aus 4 wird 8.
Oh Gott, oh Gott! Das wird meine an freie Harmonien gewöhnte Stimme nicht mitmachen. Was sich der Komponist nur gedacht hat? Schau nur, Cherub!" [...]
Manna, Manna, Himmelsbrot
[...] "Käme der Mensch ohne Nahrung aus, brauchte er nicht zu essen und wäre somit weitaus weniger in ein kollektives Gebilde des Erhalts seiner Art, wie den Staat, eingebunden, würde dadurch einer übertriebenen Individualisierung folgen und somit zwangsläufig in der Pervertierung aller seiner verbliebenen Bedürfnisse enden [...]
Die entfesselte Wahrheit
Wer wird es wagen, Wahrheit, dich,
die du an Stoff gefesselt, zu befreien
und zu behaupten, fertig und vollendet
sei nun die Körperform und an der Reihe,
den Geist, den schwachen und zurückgebliebenen,
verkümmerten, an neuen Tropf zu legen,
damit ihm aufgeht, was so fest verschlossen,
und Einsicht ihm gewährt wird durch Erfahrung? [...]
Der Nachtindianer
"Wir haben noch ganz andere Möglichkeiten, unseren Willen durchzusetzen", sagte der Häuptlingssohn der Nachtindianer, nachdem er die Weihnachtsmänner abgestaubt hatte.
Diese schimpften und fluchten zwar, als sie enteignet waren, und verloren die Köpfe, aber der Nachtindianer sprach zu ihnen:
"Freunde, der Eigentumsbegriff muss völlig neu definiert werden. [...]
Begegnung
Es gibt Begegnungen, die unerwartet, aus heiterem Himmel, aber doch geschehen, obwohl der Ort, die Zeit nicht zueinander passen, und die doch, sieht man näher hin, kausale Folge, Notwendigkeit gar in sich bergen. Und hätte man nur weit genug und bis ans Ende hin gedacht, sie wären sicherlich voraussehbar gewesen. - [...]
Das Schäferstündchen in der Lüneburger Heide
Ich kam ans Ende dieser Galaxie, auf meiner Suche nach dem höchsten Punkte, der Einsicht heißt und Wissen von den Dingen, ihrem Zweck und Nutzen, Plan und Ziel, und glaubte, meinen Augen nicht zu trauen: Da war die Lüneburger Heide! Wie man sie kennt von Bildern oder Reisen. [...]
Das verlorene Maß
Mit frommem Blick auf hoher Kanzel Phrasen donnernd, damit's Kollektenkörbchen voller wird als letzten Sonntag, dabei ein schielend Auge auf die süße Maid gerichtet, die in der ersten Bank im leichten, straffen Kleide in Andacht glüht, verzückt der Lüge lauschend, stand er, der Herr Kaplan.
Da ward ihm schwarz vor Augen. Er hatte wohl zu tief die Luft gesogen. Vielleicht war's auch der Weihrauch, der ihn schwindeln ließ. Er sank zu Boden, und es wurde Nacht. [...]
Der Ameisenhaufen
Ihr werdet es nicht glauben, doch geschah es!
Es träumte mir, ich wäre just gestorben.
Ich hatte ganz zufrieden in der Menschenwelt gelebt, erfahren, was das Leben bieten kann. Da kam ein Riesenvogel, der mich fraß. Er packte mich, dem Wurme gleich, mit seinem großen Schnabel, und abwärts ging es lebend durch den dunklen Schlund. Ich strampelte und schrie, umsonst. [...]
Verhungert halb, schmeckt trockenes Brot wie Kuchen
Der Geist, verdorrt zur Theorie, lechzt nach dem Blute der Erfahrung, nach dem wahren Leben!
Was nützt das größte Wissen ohne Macht und was die Macht, die ohne Wissen lebt?
Ermüdend wirkt die ewige Wiederholung der Natur, das viele Kommen und das viele Gehen. [...]
Die zweite Hälfte des Käses
Des Tanzes müde durch die sieben Himmel
der Willkür und beliebiger Phantasmen
ließ sich die Kunst auf ihrem oft zerbrochenen,
doch immer wieder reparierten Stuhle nieder,
der auf dem Käsebrett des Ausdrucks stand,
dem einzig festen Boden, den sie hatte,
denn eine Pause war vonnöten, unbedingt! [...]
Die Bombe und der Geist oder Jeder ist seines eigenen Geistes Schmied
Die Kraft des Geistes, wenn sie losgelassen, ist größer, als das Denkbild fassen kann.
Gelingt dem Menschen, wie er ist, sie zu entfesseln, durch Spaltung letzter Grundbausteine, fehlt ihm doch (und wird ihm immer fehlen) die Hand des weisen Wagenlenkers mit dem klaren Blick, der sein Gefährt mit Kraft vorantreibt auf der hellen Straße, die doppelspurig in die Weite führt. [...]
Das geistige Neuland
In Geistes Neuland bauten sie die Straße.
Dort, wo noch keines Menschen Fuß je hingeraten,
ward durch Unbeugsamkeit und reinen Willen
der Weg getrieben in das Unbekannte.
Das Land war leer und öde und der Boden steinig.
Ins Nichts ging's täglich tiefer ein paar Meter.
Da war kein Sinn und nicht Notwendigkeit.
Es winkten keine Preise, keine Ziele. [...]
Im Auge des geistigen Sturmes
[...] In einer tiefen Nacht, ich glaub der längsten,
war ich im Sessel sitzend eingeschlafen,
mit offenen Augen, doch sie waren geschlossen,
das heißt, obwohl ich schlief, war wach der Geist
und blickte in das innere öde Land.
Zu dem Erstaunen war es nicht wie sonst ganz dunkel.
Ein Streifen Licht lag auf dem Horizonte,
als wenn sogleich ein neuer Tag begänne. [...]
Das Henkersfrühstück
In tiefste Nacht versunken und in Schweigen,
von Unvermögen heimgesucht und Sinnentleerung,
als letzter aufgeführt der Menschenart,
als erster stehend auf der Abschussliste,
aus gutem Grund den Trost der Geistlichkeit verweigernd,
erwartet er mit kühlem Kopf den nächsten Morgen,
an dem noch vor des großen Lichts Erscheinen,
das Haupt vom Rumpf das schräge Messer trennt,
weil er gemordet hat - , das eigene Leben! [...]
Die Macht des Geistes
[...] "Des Geistes Spiegel kann das Nichts man nennen.
Wer vor ihm angelangt mit wachen Augen
es wagt, den Blick tief in ihn einzusenken
mit jenem Ziel, auf seinen Grund zu kommen,
der wird entdecken, dass es den nicht gibt!
Es dehnt das schwarze Leer sich unermesslich
und uferlos nach allen Seiten aus. [...]
Des Geistes bunter Hund
"He! Geist! Ich will bestimmt nicht klagen,
doch muss ich dir mal eines sagen:
Erst schrubbst du mich so blank und rein
(und das ist wirklich hundsgemein),
dass man vor weißem Hintergrund
mich nicht erkennt als einen Hund,
der förmlich seine Form verliert
und wie ein Geist das Dasein ziert,
geschrubbt bis dass er unsichtbar,
obwohl ein richt'ger Hund er war! [...]
Die gnostische oder psychische Liebe
In einem Traum erschien mir der Erlöser
und sagte zu mir, auf das Herz hinweisend:
"Mein Freundchen, höre, was ich dir jetzt sage!
Es geht uns alle an und trifft den Kern:
So einfach ist die Sache nicht mit jenem Ding,
das man die Liebe nennt. - Es gibt sie nicht auf Erden! [...]
Der Gravitationsschock
In einem Lande festgefügter Werte
- es kann das deutsche Land gewesen sein -
geschah es eines Tages, dass die Häuser,
doch nur die unbezahlten, plötzlich alle schwebten.
Wenn die geringste Hypothek noch nicht beglichen,
verlor das Material, aus dem sie waren,
samt den Bewohnern das Gewicht, die Schwere. [...]
Der Meister und sein Werk
[...] Sprach das Werk zu seinem Meister:
"Hast du mich bewusst erschaffen?
Oder soll ich etwas dreister
fragen: Lausten dich die Affen
als du Form mir gabst und Seele,
dass ich mich jetzt hier aus Stein,
dazu noch als Hund mich quäle
statt so schön wie du zu sein -
ebenbürtig deiner Macht,
selber mich entwickeln kann,
und das Herz im Leibe lacht,
weil ich so wie du bin dann?" [...]
Die alte Sau, der große Keiler
Er ist ein Schwein! Er hat die Welt gespalten!
In Gut und Böse, lebend oder tot.
Er schuf die Zeit, das Gestern und das Morgen,
im flücht‘gen Heut des Daseins schwankend Grund.
Er schuf den Lärm des Lebens in der Totenstille,
das Übermaß in sinnentleerter Form.
Er ist, bei Gott, ein Schwein, die alte Sau, der Keiler,
der alles spaltet in ein Für und Wider. [...]
Brot und Kuchen
[...] Ein armer Hund, der Mensch, vom Geist durchdrungen,
der, Grenzen brechend, diesen Wicht erfasst
und ihn emporhebt in die eigenen Sphären,
bevor Natur in ihm ein Instrument erschaffen,
das ihn befähigt, selbst wenn Gott ihm nahte,
Gelassenheit und Ruhe zu bewahren.
Der wird der Größte sein im Angesicht der Sonne,
der sich im Stoff als nichts Besondres sieht.
Dem wird das Brot zuteil, was Kunst verschenkt,
der hinter ihr vom süßen Kuchen weiß.
Die Vision
In einem Zustande war es gewesen,
der schwer zu beschreiben dem zeugenden Geiste,
der Seele geboten nicht häufig, nur selten.
Da sah ich im dunkelsten denkbarer Räume
das schöne, das weiße, geflügelte Pferd!
Den Pegasos sah ich auf einer Maschine,
die Winde erzeugend, sich schwenkend bewegte.
Umkreist war derselbe von suchenden Augen,
auf ihn gerichtet den sehnenden Blick. [...]
Dauer-Weihnachten im Nichts oder Auf dem Wege zur wahren Person
Aus heitrem Himmel leerer Ewigkeit,
ins unbewegte, grenzenlose Sein,
brach unerwartet und zur Weihnachtszeit
ein Bild von oben als Vision herein:
Der Torso eines Weibes, riesengroß!
Mit Brüsten fest und rund und straff und schön!
Und einer Schlange, die zu ihrem Schoß
sich ringelnd wand, war tief im Trance zu sehn! [...]
Der Hauch des Geistes
[...] Durch die Nacht der Welt gezogen,
kam ein Hauch aus Geistes Sphären,
der die Dunkelheit bewogen,
hin zum Lichte sich zu kehren
welches jenseits der Erscheinung
und des Nutzens der Erkenntnis,
dabei bar ein jeder Meinung,
rückhaltlos, wie ein Geständnis
oder eine Offenbarung,
den Zusammenhang erklärte
und die Einsicht zur Erfahrung
machte und als wahr bewährte:
unvergleichlich, gut und schön,
wie die Venus anzusehn! [...]
Es gibt immer wieder zwingende Gründe, voll in die Bremsen zu steigen
Selbst wenn wir uns exterritorialisieren könnten, gäbe es für den größten, schnellsten und machtvollsten Geist - nicht nur wegen der schöpferisch notwendigen Selbstbegrenzung - immer wieder zwingende Gründe, voll in die Bremsen zu steigen, [...]
Batman und das Nein oder
Im Anblick des sich selbst in Erscheinung setzenden Axioms der 1 fallen alle schwarz-weiß-Denker tot um
Wie eine Wand des Schweigens steht das Nein
vor, hinter, unter, über selbst dem größten Ja.
Die Logik spricht: "So muss es nun mal sein!"
Sie sagt die Wahrheit. Dazu ist sie da. [...]
Der Himmel lacht noch, wenn wir alle weinen
Der Himmel lacht noch, wenn wir alle weinen. Er kennt das Maß der Freude nicht, das für uns gilt.
Er hat den Überblick noch nie verloren! Er weiß, woher wir kommen und wohin wir gehen. Und dieses Wissen stimmt ihn auf die Dauer heiter, selbst wenn er mit dem Untergange spielt und droht. [...]
Geistiger Raum
Der innere Raum unterscheidet sich vom äußeren durch nichts. Beide sind dreidimensional und lassen in sich eine vierte und weitere Dimensionen zu.
Beide sind statisch und dehnen sich in die Unendlichkeit aus.
Belegt ist der innere Raum von einer subjektiven Objektivität und der äußere umgekehrt. [...]
Unerhörtes Hundegebet
Der Hund der dritten Dimension
traf an der Grenze seiner Möglichkeiten
auf seinen Schöpfer, in Person,
den nur die frommen Hunde nicht bestreiten.
„Wau!“ rief er aus. Und danach noch einmal:
„Es gibt dich also doch!
Ich dacht’ es mir. Es wär’ auch anormal,
gäb’ es am Ende nur ein schwarzes Loch. [...]
Qualitätslosigkeit / Gespiegelter Sumo-Ringer
Ein Kunstgriff – wahrlich –
war mir just gelungen!
Die eigene Dummheit stellt’ ich
spiegelnd vor mich hin.
Damit verdoppelte sich zwar
die Kraft des Stumpfsinns,
auch ihr Restvermögen,
doch band ich beide fest
und aneinander,
unlösbar von dem eignen Spiegelbild. [...]
Kunstüberunterschreitung
Das Maß zerbrochen, das die Kunst uns gibt, zu Gunsten einer Freiheit ohne Grenzen, die aus Erkenntnis wächst ins Uferlose, Zusammenhang erschaffend, wo sonst Trennung ist; dort trat er ein ins Reich des Transzendenten, in feine Übersüße heiliger Ekstasen, die Seelen läutern bis in tiefsten Grund. [...]
Der Haken am Nichts
Hab’ einen Haken an das Nichts geschraubt
und so bewiesen, dass es wirklich ist.
Es hat Substanz, und wer mir das nicht glaubt,
der ist ein Zweifler und ein Nihilist.
Es ist das Nichts aus dunklem, homogenem Material,
aus der Substanz erscheinungslosen Seins,
und subjektiv dazu noch, allemal,
ist es – und maßlos groß und klein und in sich eins. [...]
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