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Im Auge des geistigen Sturmes

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BĀLAVAT liest

Im Auge des geistigen Sturmes
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Im Auge des geistigen Sturmes

div. Materialien auf Leinwand 120 x 160 cm

Im Auge des geistigen Sturmes

In tiefer Stille und in großer Weite,
gefestigt durch ein Leben ohne Wünsche,
den Tag verbringend ohne Ziel und Sinn,
die Nichtigkeiten und die Pflicht erfüllend,
durchlebte ich der Jahre viele, ohne Zahl.
Das Haar ergraute und das Fleisch ward müde,
nur ächzend konnte ich mich noch erheben,
war ohne Furcht vorm Tode unterdessen
und ohne alles Hoffen, alles Sehnen.
Einst hatte an des Geistes Kraft ich fest geglaubt,
doch mit der Zeit war dieser Glaube eingeschlafen.
Es hatte nichts im Leben darauf hingewiesen,
dass etwas Neues auf der Welt entstand!
Versuche gab es hier und da und dort;
sie hatten zu nichts Bleibendem geführt.
So ward denn fatalistisch alles Denken
und frei, weil sinnentleert das ganze Leben.
Die Willkür packte mich mit der Revolte.
Ich stürzte in den Alkohol, den Sex, die Droge,
ward dann zum Heiligen, zum weisen Mann,
und gab mich letztlich der Askese hin.
Doch nichts von allem brachte einen Schritt mich weiter.
Der Himmel schwieg wie immer, gab kein Zeichen!
Zwar hatte ich gekämpft, wie Menschen kämpfen,
mit List und Tücke, manchmal auch mit Mut
(selbst über Leichen war ich einst gegangen),
doch war nicht größer als ich war geworden.
So warf ich alle Tugend über Bord,
die Sünde folgte, der Heiligkeit entledigt, frei von Gott,
und setzte leer und tränenlos mich in die Nacht,
die das Nihil man nennt, die große Leere,
und saß nun dort, wie schon erwähnt, sehr lange.

In einer tiefen Nacht, ich glaub der längsten,
war ich im Sessel sitzend eingeschlafen,
mit offenen Augen, doch sie waren geschlossen,
das heißt, obwohl ich schlief, war wach der Geist
und blickte in das innere öde Land.
Und zum Erstaunen war es nicht wie sonst ganz dunkel.
Ein Streifen Licht lag auf dem Horizonte,
als wenn sogleich ein neuer Tag begänne.
Ich staunte, und ich staunte gar nicht schlecht.
Ein jäher Windstoß riss mein ganzes Wesen
aus der Betrachtung ungewohnten Bildes.
Ich schreckte hoch und blickte auf zum Himmel.
Es flogen alte Möbel durch die Luft!
Zerfetzte Wolken jagten hinterher!
Ein schönes, schlankes Weib mit langen Beinen
und einem Windhund an der linken Seite
sprang lachend, jauchzend, wie vom Wind getragen
von einem Wolkenfetzen hin zum nächsten,
als jage sie den Möbeln hinterher!
Sie rief mit glockenheller, reiner Stimme,
die mit des Hundes Bellen sich vermischte,
und wandte ihr Gesicht kurz hin zu mir:
"He! - Held der Nacht, der Leere und des langen Wartens!
Gedankenstille hat ein jähes Ende!
Es ist soweit! - Des Geistes Stürme wehen auch für dich!
Sie wehten immer und mit voller Kraft!
Du saßest all die langen, stillen Jahre
im Auge nur des großen Wirbelsturmes,
der nun den Übermenschen auf die Erde bringt!
Lass dich erfassen, und es reißt dich fort!"

Ich aber folgte ihrem Rufe nicht.
In all den Jahren war ich still und zahm geworden
und hätte aus gesundheitlichen Gründen
lebendig diesen Sturm nicht überstanden.
So blieb ich denn in meiner großen Stille
und folgte diesem Schauspiel mit den Augen.
Mir langte es, der Grund des Sturms zu sein.

BĀLAVAT

 
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